„Bei der Zeugnisverteilung sollten die Kinder applaudieren, wenn eines nur Einser und Zweier hatte. Bei allen anderen durften sie nicht klatschen.“

Zweimal musste mir die Mutter diese Geschichte erzählen. Ich konnte sie nicht glauben. Es geht um Zweitklässler, Volksschule, um das zu betonen, um siebenjährige Flöhe. Die Lehrerin sagte tatsächlich: „Kinder, jetzt kommt das Zeugnis von *hier beliebigen Namen einsetzen*. Jetzt dürft ihr nicht klatschen.“

War das als Motivation gedacht? Applaus zu geben ist fein. Ihn zu verbieten ist übles Bossing. Stellt euch das bildlich vor: Max oder Sophie schleichen wie die getretenen Hunde zum Lehrertisch, nehmen unter dem tadelnden Blick der Lehrerin ihr Zeugnis entgegen und schleichen, von allen angegafft, zu ihrem Platz zurück. Ob die anderen ihnen aufmunternd zunicken? Eher nicht. Eher lachen sie oder imitieren den Blick der Lehrerin. Haha, was für Loser.

Genau so etabliert man Zweiklassen-Klassen. Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen. Zufall oder nicht, der Walk of Shame betraf besonders Jungs. Ansporn war er keiner, erzählt mir die Mutter. Ihr Sohn fängt jetzt, gegen Ende der Ferien, zu Toben an, wenn er das Wort Schule hört. Manchmal haut er seine kleine Schwester. Wie er wohl wird, wenn er erwachsen ist?

Liebe Lehrer, egal wie lang ihr euren Job schon macht: Heute stärkt man Stärken. Auf Schwächen herumhacken war gestern. Das funktioniert in der Schule genauso wie im Management. Über Leichen gehende Macho-Bosse sind so out-of-date wie in der Schule das böse Fräulein Knüppelkuh.

Es ist nie zu spät, das zu ändern. Eure Kinder werden es euch danken.

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