Vor ein paar Tagen war ich auf einer Pressekonferenz zum Thema „Stillen in der Öffentlichkeit“. Und habe gestaunt, was sich alles verändert hat. Nicht zum Guten.

Als meine Töchter ganz klein waren, war ich eine stolze Milchkuh. Dabei tut Stillen ganz schön weh. Der erste gierige Zug – du willst schreien vor Schmerz. Dann schaust du in das kleine Gesichtchen so nah, siehst seinen Frieden, seine selige Eintracht mit sich und der Welt. Und du denkst, dass DU das bist, die dieses kleine Leben ausgebacken hat und nun ernährt. Ohne dich würde es sterben.

Natürlich stillst du auch in der Öffentlichkeit. Baby hat Hunger, Baby will Milch. JETZT. Sonst brüllt es. Manche Leute schauen blöd, aber das ist dir wurscht. Liegt ohnehin eine Windel über allem, was sie nicht sehen sollen. Wenn einer guckt, guckst du zurück. Die meisten lächeln eh.

25 Jahre ist diese glücklichen Reminiszenzen her, meine Töchter sind längst erwachsen. Vergangene Woche war ich auf einer Pressekonferenz, in der es um das Stillen in der Öffentlichkeit ging. Der Schnullerhersteller MAM hatte ein Siegel für stillfreundliche Lokale entwickelte, die Cafés des Querfeld-Imperiums klebten es als Erste an ihre Türen. Wozu braucht es das?, dachte ich.

Dann wurde Kommentare an die Wand projiziert, die sich Mütter (6400 laut einer MAM-Umfrage) anhören müssen, wenn sie die nächste Menschengeneration am Leben erhalten. Ein paar Highlights:

  • „Unappetitlich“
  • „Pervers“
  • „Geh‘ damit doch aufs Klo!“
  • Auf einem Parkplatz stellte sich ein fremder Mann zu einer im Auto stillenden Frau und begaffte sie. Auf die Frage, was er wolle: „Deine Titten anschauen.“
  • „Da würd‘ ich auch gern nuckeln.“
  • „Kann ich auch ‘ran?“
  • Im Restaurant: „Neben der will ich nicht sitzen.“
  • “… wurde nicht bedient …”
  • “… wurde hinausgeschmissen …”
  • „Können Sie Ihr Kind nicht später stillen?“
  • „Bleib’ doch zu Hause!“
  • „Hast du keine Wohnung?“
  • „Schämen Sie sich nicht?“
  • „Verlassen Sie mein Wartezimmer!“
  • „Gib’ ihm doch die Flasche!“
  • „Stillen Sie halt ab.“

Von der „natürlichsten Sache der Welt“ in den 1990ern zu böse-untergriffigen Befremdlichkeiten 2023 – wieso dieser Rückschritt? Ist die Gesellschaft tatsächlich zurück- statt vorwärtsgegangen? Mädels, falls es euch betrifft: Lasst euch nicht kleinkriegen. Lasst euch nicht daheim einsperren, aufs Klo verdrängen, abwerten. Bleibt stolz. Ihr tut das Richtige: Ihr gebt der nächsten Generation das Beste, das es gibt.

Die Gehässigkeiten der Umfrage stammen übrigens nicht von Menschen aus Kulturkreisen, in denen unbedeckte Frauenhaut vielleicht irritiert. Sie kommen von österreichischen Bildungsbürgern. Und solchen, die es gern wären.

Diesen Beitrag teilen