Wieder daheim. Wieder zurück in meiner alten Welt. Finster entschlossen, das Beste aus Kanada mitzubringen.
Vor dem Schalter der Wiener Linien steht eine lange Menschenschlange. Mit engelsgleicher Geduld – die habe ich bei den Kanadiern gelernt – stelle ich mich dazu. Nach einer halben Stunde bin ich dran.
„Hallo“, sage ich freundlich zu der Schalterdame (jung, kompetent, nicht allzu freundlich), „eine Jahreskarte bitte.“ Ich halte ihr meine abgelaufene hin.
„Das müssen Sie online machen“, antwortet sie. „Dazu brauchen Sie Foto, Ausweis und 365 Euro.“
Ich, total freundlich: „Bei Ihnen geht das doch auch. Und Foto haben wir noch das alte im System…“
Sie, genervt: „Das heben wir nicht auf.“
Ich, strahlend: „Sie haben hier einen Scanner und ich ein Foto in meiner Geldbörse.“ (Halte es ihr hin)
Sie: „Da sind Sie schief drauf.“
Ich, scherzend: „Legen Sie mich einfach schief in den Scanner.“
Sie will es seufzend tun, dann fällt ihr etwas ein: „Ausweis brauche ich auch. Und 365 Euro.“
Ich, fröhlich: „Habe ich beides. Probieren Sie das mal mit dem schief Einlegen.“
Sie legt wortlos das Foto schief auf den Scanner, dreht den Bildschirm zu mir und sagt dann: „Na, wenn Sie so ausschauen wollen…“
Ich, lachend: „Ist mir wurscht.“ (Sie hat mir tatsächlich das halbe Gesicht weggeschnitten.)
Ich: zeige ihr meinen Ausweis, bezahle, reiße noch einmal all meine Freundlichkeit zusammen und sage: „Wissen Sie, das haben Sie jetzt echt toll gemacht.“
(Ich weiß, im Grunde genommen hat sie alles probiert, um ihren Job eben nicht machen zu müssen. Ich wollte trotzdem ihre und meine kleine Welt verändern.)
Sie: schaut mich schon nicht mehr an, lächelt aber irgendwie irritiert und wendet sich mit genau diesem Lächeln dem Nächsten zu. Der – die Spiegelneuronen – reagiert augenblicklich darauf, lächelt zurück und ist trotz der langen Wartezeit freundlich zu ihr.
Und vielleicht, in einer idealen Welt, war jeder der beiden an diesem Tag einen Tick netter zum Nächsten, dem er begegnet. Und der zum Übernächsten und immer so weiter.
Mir jedenfalls ging es nachher richtig gut. Und das, was ich wollte, den neuen Ausweis, habe ich auch bekommen.
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Mit dieser Story beende ich meinen Kanada-Blog. Danke euch allen für’s Lesen, für eure Rückmeldungen, für’s Begleiten auf dieser Reise. Sie war wunderbar – auch dank euch!