Nach drei Monaten allein in Kanada gehen mir meine vertrauten Menschen schon sehr ab. Nichts gegen digitale Umarmungen, echte sind besser.
Der Flug nach Winnipeg landete schrecklich früh am Morgen. Noch dazu war Sonntag. Ich war die Einzige im Flughafenbus. Ich bat den Busfahrer, einen gebürtigen Nigerianer, mir meine Station anzusagen, er deutete mir, gleich dazubleiben und mit ihm zu plaudern. Die ganze Fahrt lang, eine halbe Stunde. Das Gespräch war echt gut. Er war klug, gebildet und hatte mehr drauf als nur Bus zu fahren. Am Ende tauschten wir sogar Visitenkarten (ein Busfahrer mit Visitenkarte!)
Es blieb meine einzige echte Unterhaltung in Winnipeg. Ich hatte dort eine entzückende kleine Wohnung mit eigenem Eingang, mitten im Grünen. Ich lustwandelte unter uralten Eichenalleen, saß am Fluss, besuchte Museum und Zoo, beobachtete Ziesel und zählte die Kaninchen im Garten. Bloß Menschen traf ich keine.
Nun wissen wir alle, wie leicht man von selbstgewähltem Alleinsein und quälende Einsamkeit kippt. Ich kenne meine Symptome: leichte Gereiztheit und latente Unzufriedenheit. Ich weiß auch, was ich dagegen tun kann: Wenn ich Echt nichts geht, muss ich eben die digitalen Kanäle anwerfen; dazu Arbeitsdisziplin, Aktivitäten und Netflix. Ich komme zurecht, laufe aber nicht rund.
Nach einer Woche reiste ich weiter. In der Innenstadt musste ich umsteigen. Zwei Busse kamen gleichzeitig an, ich brauchte den hinteren und zerrte mein viel zu schweres Gepäck dorthin. Da hörte ich aus dem vorderen Bus eine Stimme, „Du fährst schon wieder?“, erkannte im Vorbeihasten meinen Busfahrer, er winkte und lachte, ich lachte zurück und winkte auch, sobald ich konnte. Die anderen Fahrgäste in meinem Bus fanden das lustig und winkten ihm auch zu.
Bin ich nun einsam oder bloß allein?