Nudging* oder: Der Tag des toten Waschbären

Veröffentlicht am By Andrea Lehky

*Nudging heißt „zarter Schubser“. Damit erreicht man mehr als mit erhobenem Zeigefinger, Druck oder einem Shitstorm. Wie diese Geschichte zeigt.

Sie beginnt damit, dass ich zwei mir nahestehenden Menschen das Bild einer Neon-Waschbären sende, der über der Rezeption eines schicken Offices wacht. Es erntet Begeisterungsstürme, Waschbären seien so süß, die kleinen Händchen so putzig und ich möge doch weitere Waschbären schicken.

Die findet man, wenn man sie sucht. Ich bin mit einer reizenden Begleiterin unterwegs, entdecke ein Waschbärplakat, fotografiere es und erkläre meiner Begleiterin den Grund. Waschbären, erzählt sie, geben der Städtischen Müllabfuhr einiges zum Auflösen. Die Recycling-Tonnen auf den Straßen, alle offen, nur die für Biomüll sind trickreich verriegelt. Wegen der Waschbären. Alle paar Jahre muss sich die Stadt ein neues Schloss einfallen lassen, weil die schlauen Tiere das alte zu knacken gelernt haben.

Dann lacht sie auf. Vor ein paar Jahren, sagt sie, wurde in Toronto ein Waschbär angefahren und verendete mitten am Gehsteig, auf dem Rücken liegend, die Ärmchen in der Luft.

Am Morgen verständigten die Anrainer die Tierkörper-Abfuhr. Die kam aber nicht. Am Nachmittag lag das tote Tier noch immer da. Da drückte ihm jemand Blumen in den Arm, ein anderer stellte eine Kerze auf, ein dritter schrieb R.I.P. dazu. Am Abend – da war die Tierkörper-Abfuhr noch immer nicht dagewesen –, war der Ort ein buntes Memorial, Blumen, Kerzen, Bilderrahmen, gute Wünsche für die letzte Reise. Die Story war längst viral gegangen, ganz Kanada sprach über das arme Tier.

Glaubt ihr mir, dass die Stadt seither sofort reagiert, wenn sie gerufen wird? Seht ihr, das ist Nudging.

Diese Waschbären sind richtig schlimme Kerle. Und ja, es war stürmisch.
Dieser hier weiß, dass er schön ist.
Dieser ist Teil einer netten Webekampagne.
Und dieser spielt Trompete. Auch so kann man Stromkästen verkleiden.
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