Hätten wir nur die vielen Menschen gesehen, bevor wir bezahlten. 50 Euro pro Person, das ist happig. Aber die Capilano-Hängebrücke muss man gesehen haben, sagt mein Vancouver-Reiseführer.
Kanada ist so ein herrlich einsames weites Land. Wo kommen auf einmal die vielen Menschen her? Haben die alle meinen Reiseführer? Vielleicht sind sie hier, weil er sagt, dass es außer der Hängebrücke (137 Meter) noch einen Zedernwald gibt, eine Vogelschau, einen Forellenteich und einen Wasserfall. Jetzt haben wir schon bezahlt. Da müssen wir durch.
Wie vorsichtig die Leute auf die Brücke tapsen. Ein Naturgesetz besagt, dass eine Menschenmenge auf einer Hängebrücke automatisch in Gleichschritt verfällt. Das aber bringt ebenso automatisch die Hängebrücke zum Schwanken. Was wiederum bei vielen Menschen Panikattacken auslöst. Sie bleiben dann breitbeinig stehen und klammern sich an den Seilen fest.
Andere wollen jetzt und sofort ein Hängebrückenfoto von ihrer/m Liebsten schießen. Auch wenn dann der nächste Mensch auf sie aufläuft.
Wir waren eingeklemmt in einem Stop-and-Go-Menschenstrom. Die einzige Alternative wäre gewesen, von der Brücke zu hüpfen. Aber da ging es tief nach unten.
Als wir endlich auf der anderen Seite waren, wir wollten nur noch weg.
Der Zedernwald: viel bessere gesehen.
Die Vogelschau: eine Eule.
Der Forellenteich: ein Teich, keine Forellen.
Der Wasserfall: ja eh.
Ich will niemandem die Freude verderben, der nie zuvor eine Hängebrücke, eine Eule, einen Teich oder einen Wasserfall gesehen hat. Für alle anderen: Lasst euch nicht neppen. Fahrt zum Lighthouse Park in West Vancouver, nur ein paar Kilometer daneben. Der ist erstens gratis und hat zweitens viel schönere Zedern.
Und keine Menschen.
PS: Sechs Monate Kanada verändern einen. Ich fürchte mich vor dem Gewusel auf dem Christkindlmarkt.






