Diese Geschichte hat tatsächlich mit Hühnern zu tun. Sie zeigt, dass die kanadische Seele der österreichischen nicht unähnlich ist.

In einer Kleinstadt in der kanadischen Prärie, in der ich mich mehrmals aufhielt, freundete ich mich mit meinem Vermieter an. Der war eigenartig besessen vom Thema Hühner, ständig erzählte er mir, wie er ein Gesetz seiner Stadt zu Fall bringen wolle, wonach man im eigenen Garten keine Hühner halten dürfe. In anderen Städten war das erlaubt.  

Ich kann wirklich geduldig zuhören. Aber irgendwann war mir unser wiederholter Chicken-Talk zu viel und ich fragte ihn, warum er sich derart in seine Hendln hineinsteigere (verbotenerweise hielt er zwei im eigenen Garten, eines davon seht ihr oben).

Es stellte sich heraus, dass der Mann Größeres im Sinn hatte. Die Hühner waren nur der Anfang, er wollte sein Grätzl (seine Neighbourhood) unabhängiger und resilienter machen. Stark vereinfacht: Ich habe Eier, du hast Zwiebel, lass‘ uns tauschen. Lass‘ uns einen Community-Markt auf die Beine stellen und uns von den Supermarktketten befreien. Lass‘ uns Tipps gegen die Trockenheit austauschen (ja, das Thema brennt auch in Kanada). Lass‘ uns darüber zur Gemeinschaft zusammenwachsen und Grätzl-Probleme auf Grätzl-Ebene lösen statt wie bisher vor dem Stadtrichter.

Der Mann verblüffte mich. Mit wenigen Fragen skizzierte er Vision, Mission, Strategie, alles intuitiv. In Österreich wäre seine Idee nicht rasend neu, für Kanada ist sie revolutionär.

Wir waren uns einig, dass er das Projekt nicht allein stemmen konnte. Daraufhin setzte er mit ungeheurer Energie eine Petition auf, überschwemmte Facebook mit seinen Chicken-Posts und lud das gesamte Grätzl zu einem Get-together mit Bier und Grillerei ein, um es ins Boot zu holen.

Zwei Wochen später traf ich ihn wieder. Wie läuft deine Petition?, fragte ich. Super, antwortete er, schon 150 Unterschriften (das ist beachtlich).

Und Facebook? Toll, sagte er, ganz viel Resonanz und Zuspruch.

Und das Get-together? Sein Gesicht verfiel. 20 Anmeldungen, sagte er dann. Wie viele sind gekommen? Eine Nachbarin, antwortete er. Die richtete ihm aus, dass alle die Idee ganz toll fänden. Wenn er die Gesetzesänderung bei der Stadt durchgebracht habe, würden sie gern Hendln im Garten halten.

Aber die Arbeit solle er bitte allein machen.  

Seht ihr jetzt die Parallele zur österreichischen Seele?

So spektakulär wie in den Rockys ist es in der Prärie nicht, aber sie hat ihre Reize. Dank lieblicher Flüsse floriert die Landwirtschaft (noch). Seht ihr das kreisrunde Feld mit dem auffallend satten Grünton, der sich von Rest der Landschaft abhebt? Den verdankt es einem der Ungetüme auf dem nächsten Foto.
Diese Bewässerungsmonstren haben einen festen Mittelpunkt und rotieren mit satten 100 Meter Radius langsam über ihr Feld. Fragt nicht, welche Wassermassen sie verbrauchen.
Ansonsten würde die Gegend ausschauen wie diese Badlands. Die weißen Büsche im Vordergrund sind wilder Salbei. Riecht gut, ist aber ungenießbar bitter.
Durch die Prärie fahren Züge, die kein Ende zu haben scheinen …
… und manchmal trifft man Vertreter der First Nations (sagt niemals mehr „Indianer“ zu ihnen), so wie hier auf einen PowWow, einem Stammestreffen.
Wobei sich nicht alle ihrer würdevollen Rolle bewusst zu sein scheinen. Man beachte den Baby Yoda auf seiner Brust 😉



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