Kennt ihr die Geschichten über die Autofahrer, die ihrem Navi blind vertrauen und in Stiegen, Keller oder U-Bahn-Abgänge fahren? Ich gehöre jetzt auch dazu. Ich fuhr in den kanadischen Busch.
Google Maps ist super. Seit Monaten führt es mich verlässlich von A nach B. Kürzlich wollte ich 600 Kilometer von Cochrane nach Manitouwadge fahren, beides im wald- und seenreichen Ontario. Mein kleiner japanischer Mietwagen und ich cruisten schon 400 km elegant über den Trans Canadian Highway, da hieß mich Google Maps im rechten Winkel nach Süden abbiegen. Ich prüfte es nach: Der Weg war richtig. Nur war die Straße nicht asphaltiert. Sie war, wie sich herausstellte, eine breite Piste für die riesigen Trucks, die Holz aus dem Busch abtransportieren. Aber sie war eine Straße und hatte ein Namensschild.
„Schaffst du das?“, fragte ich meinen kleinen japanischen Mietwagen. Ich spreche mit meinen Autos. Das tun viele Frauen, das ist ganz normal. Manche Autos antworten auch.
„Klar schaffe ich das“, sagte der Zwerg und fuhr los.
Nach 50 km ließ uns Google Maps auf eine wesentlich schmälere und schlechtere steinige Straße abbiegen. Ich zögerte. „Schaffst du das auch?“, fragte ich den Kleinen.
„Dafür bin ich eigentlich nicht gebaut“, antwortete er, „aber ich schaffe es.“
Zu diesem Zeitpunkt war sein Tank noch viertelvoll. Dazu muss man wissen, dass Tankstellen auf kanadischen Highways dünn gesät sind. Man füllt bei jeder, absolut jeder Tankstelle voll. Nur hatte ich schon lange keine mehr gesehen.
Nach weiteren 40 km kreuzte ein Puma unseren Weg. Ich nahm mir vor, nicht mehr auszusteigen.
Nach weiteren 20 km schickte uns Google Maps auf einen Weg, der als steiler Wanderweg durchgegangen wäre. Sein Mittelstreifen war kniehoch mit Gebüsch und Wildblumen bewachsen. Hier war lange niemand mehr gefahren.
„Das schaffst du nicht“, stellte ich fest.
„Wir haben keine Wahl“, entgegnete er. Wir hatten wirklich keine. Sein Tank leerte sich rapide. Es war aber nicht mehr weit.
Er fuhr los. Kletterte tapfer über Steine und Wurzeln, fuhr furchtlos ausgewaschene Schmelzwasserrillen hinab.
Plötzlich war der Weg überschwemmt. Ein See war über seine Ufer getreten. Ich stoppte, dachte kurz nach, bewaffnete mich mit meinem Insektenspray (wenn du den Puma nicht besiegen kannst, neble ihn ein) und watete durch das Wasser, um dessen Tiefe auszuloten. Auf der anderen Seite entstand dieses Foto.
Ich stapfte zurück, redete meinem Auto gut zu und gab ihm zärtlich die Sporen.
Das Wunder geschah: Er schaffte es. Seither heißt er „Kämpferherz“. Ich will es kurz machen: Es folgten noch drei weitere Überflutungen und ein quer über den Weg liegender Baum. Wir fuhren einfach durch die dünnste Stelle der Krone durch. Da war sein Tank nur noch achtelvoll.
Dann übersah ich einen Felsen. Dem Geräusch nach war ein Reifen geplatzt. Kämpferherz fuhr ungerührt weiter.
Dann war der Handyempfang weg und damit Google Maps.
Dann ging die Sonne unter.
Dann stießen wir auf eine breite Straße, so breit wie die erste. Ein Junge auf einem Squad kam uns entgegen. Pubertierende Jungs bekommen hier zum 16. Geburtstag kein Moped, sondern ein Offroad-Squad. Er stoppte, nahm seinen Helm ab und fragte erstaunt „Wo kommst du denn her?“
Es stellte sich heraus, dass uns Google Maps auf die Hardcore-Abenteurer-Squadstrecke geschickt hatte. Dorthin, wo sich selbst die Dorfjugend selten hintraut. Der Junge zeigte mir den Weg, es war tatsächlich nicht mehr weit, aber ich hätte noch ein paarmal falsch abbiegen können.
Sagt mir nie wieder etwas gegen japanische Kleinwagen.