Ich liebe mein Handy. In Kanada war es mir Fremdenführer, Navi und Tor zur Heimat. In Wien ist es mir Arbeitstool und Stimme lieber Menschen. Jetzt ist es stumm.

Es begann mit guten Freunden, die mich frühmorgens um 6 Uhr mit „Schön, dass du wieder da bist“ weckten. Und einem Herz. Pling, machte mein Handy und vibrierte. Um 6:15 schickt mir eine fürsorgliche Nachbarin jeden Morgen einen lustigen Clip. Pling + vibrieren. Es stellte sich heraus, dass sie auf diese Art checkt, ob eine Gruppe selbstdefinierter Schutzbefohlener noch am Leben ist. Bis Mittag will sie die blauen Anklick-Häkchen sehen, sonst ruft sie an. Das macht sie, seit ein Nachbar unschön zu stinken begann.

Um 7 Uhr gehen die Anrufe los. Mein Klingelton ist „Waltzing Mathilda“, seit ich mein erstes Handy hatte, plus einem starken Vibrieren. Mathilda walzt also ab 7 Uhr morgens mal beruflich, mal privat. Viele Menschen erledigen ihre Anrufe auf dem Weg in die Arbeit und kommen so in den Genuss meiner entzückend verschlafenen Morgenstimme. Weil die so nett ist, rufen sie am nächsten Morgen wieder an.

Vielleicht sollte ich an dieser Stelle erwähnen, dass ich gern länger schlafe. Ich bin ein Abendmensch, der sein Leben lang um 6:15 aufstehen musste. Jetzt endlich kann ich mir meine Zeit einteilen, wie ich will. Und ich will länger schlafen.

Wenn nur das Handy nicht so viel piepen, plingen, vibrieren, klingeln würde. Das geht den ganzen Tag. Die Menschen sind mir alle, ausnahmslos alle herzlich willkommen. Aber auf die Töne meines Handys reagierte ich zunehmend wie auf einen Säbelzahntiger. Dauernd zuckte ich zusammen.

Zu Ostern traf ich eine Entscheidung. Alle Töne aus, nur eine Notfallleitung für meine Mädels. Ich checke stündlich die diversen Inboxes und rufe oder texte dann entspannt zurück. Meinen Gegenübern fiel sofort auf, wie fröhlich ich auf einmal war.

So wird das jetzt bleiben. Ich habe Digital Detox immer belächelt, jetzt weiß ich: Stille tut so was von gut.

Vor allem in der Früh.

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