Mein Blogbeitrag Stolze Milchkuh hat im August einigen Staub aufgewirbelt. Er entstand nach dem Genuss einer Pressekonferenz rund um ein neues “Stillsiegel”. Es soll jungen Müttern signalisieren, dass sie und ihre Babys in Lokalen willkommen sind. Nun habe ich online auch meinen Nachbericht zur Pressekonferenz gefunden. Unten steht der Text in Langfassung, hier ist der Link zum Original in der ÖGZ.

Neues “Stillsiegel” für stillfreundliche Betriebe
Sicherer Hafen für junge Mütter – oder bloß ein weiterer Kleber an der Restauranttür?

Es braucht eine dicke Haut, in der Öffentlichkeit zu stillen. Da werden Frauen schon mal als „Milchkuh“, „unappetitlich“ oder „pervers“ beschimpft. Wildfremde Menschen verlangen, sie mögen sich „daheim einsperren“ oder „die Sache am Klo erledigen“. Andere starren ungeniert, schießen Busenfotos oder wollen „auch mal ‘ran.“

Im Vorjahr präsentierte der Babyartikelhersteller MAM eine erste Umfrage zum Thema. Ziel: „ein Zeichen in Richtung Normalität des Stillens in der Öffentlichkeit zu setzen“, sagt Studieninitiator Georg Ribarov. Nun ergänzte er um 6 419 neue Online-Antworten. Ergebnis: 87 Prozent der Mütter stillen gerne, 91 Prozent davon tun es auch in der Öffentlichkeit. Zwei Drittel (67 Prozent) erlebten dabei jedoch Anfeindungen. Die meisten in Lokalen und Cafés (37 Prozent), gefolgt von öffentlichen Plätzen und Parks (30 Prozent) und Geschäften (12 Prozent, Mehrfachantworten möglich).

Uns interessieren Lokale und Cafés am meisten. Hier reichen die Kommentare von „weigerte sich, mich zu bedienen“ bis “Können Sie nicht später stillen?“ oder „… mit Ihrem Kind aufs Klo gehen?“. Um ihnen zu entgehen, verstecken sich stillende Mütter in ruhigen Ecken oder werfen verschämt Tücher über ihre Blößen (manche auch über den Kopf).

Damit sie schon vor Betreten eines Lokals wissen, dass sie dort einen sicheren Hafen finden, hat Ribarov ein „Stillsiegel“ samt zugehöriger „Stillcharta“ („Sie und Ihr Baby sind herzlich willkommen“) entwerfen lassen. Mit beidem können sich verständnisvolle Gastronome hervortun. Das Siegel klebt an der der Eingangstür, die Charta besprechen sie mit ihren Teams und überlegen sich Reaktionen für den Anlassfall.

Acht bis 16mal täglich stillen
Erster Stillsiegel-Träger ist Multi-Gastronom Bernd Querfeld. Er sieht es pragmatisch: „Mir sind die Gäste der nächsten Generation genauso wichtig wie alle anderen.“ Doch weder will er die Charta im seinen Restaurants und Cafés aushängen noch sieht er sich als Teil einer Kampagne: „Ich finde das Thema so selbstverständlich, dass es keine Kampagne brauchen sollte.“ Querfelds Einstellung in Ehren: Ohne klare Richtlinien für das Personal macht sie den Schutz der angestänkerten Mütter wieder vom Gutdünken der Kellner abhängig.

Zum Aufmunitionieren für die Teamgespräche hat Hebamme Christina Ruthofer ein paar Fakten. Der Magen eines Babys ist bei der Geburt so klein wie eine Murmel, später wächst er von fünf auf fünfzig Milliliter. Daher muss er kontinuierlich nachgefüllt werden, acht- bis 16mal am Tag. Andernfalls brüllt das Baby wie am Spieß – auch nicht lustig im Lokal –, weil es Stressreaktionen bis hin zu Todesängsten durchlebt, ein perfekter Nährboden für spätere psychische Probleme. Weil Mutter und Kind gleichgeschaltet sind, ist auch die Brust der Mutter immer dann voll, wenn das Baby Hunger bekommt. Wird diese Menge nicht abgerufen, geht die Produktion zurück – im günstigsten Fall. Im ungünstigsten kommt es zu einem Milchstau samt Fieber und Entzündung.

Zeit zum Heimgehen bleibt also keine. Babys müssen sofort gestillt werden, wenn sie Hunger haben. Fühlt sich die Mama derweil im Lokal sicher, wird sie in aller Ruhe noch einen Kaffee bestellen.

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